ISI-Kongress 2021 | Workshop 3

Kongressthema: Mittendrin – Leben und Arbeiten in fragilen Zeiten

WS 3
Alfred Hinz
»Als kein Ausweg zu sehen war – Wahrheits- und Wirklichkeitskonstruktionen in Zeiten der Pandemie«

Zu den Zumutungen des Seins gehört es, dass die äußere wie die innere Welt, voller Widersprüche, Unklarheiten, Ungewissheiten und Uneindeutigkeiten ist. Die dadurch entstehenden Spannungen und Konflikte werden von uns Menschen nur in einem bestimmten Ausmaß ausgehalten, so dass wir unterschiedlichste Mechanismen entwickelt haben, um Angst, Unsicherheit und subjektiv empfundene Bedrohung zu ertragen.

Insbesondere die Spaltung, die Projektion und die Verleugnung haben als psychische Reaktionen darauf in „fragilen“ Zeiten Hochkonjunktur. Während der Coronapandemie erleben wir eine Beschleunigung dieser Psycho- und Soziodynamik, was in der Konsequenz unsere Alltags- und Arbeitsrealität enorm beeinflusst.

Mit Hilfe psychodramatischer und soziodramatischer Arrangements erkunden wir dieses weite und unsichere Feld, wir begeben uns mittenhinein in Realitätskonstruktionen und Verschwörungsdynamiken beleuchten aber auch Möglichkeiten, bescheiden und vorsichtig einen (oder mehrere) Sinn(e) in Zeiten des Wandels zu finden.

Zur Anwärmung ein Gedicht von Erich Fried

Als kein Ausweg zu sehen war
Die umherirren
und sagen noch
daß sie wissen
daß sie umherirren
und daß sie noch sagen wollen
was sie in ihrem Umherirren sehen
wenn sie
noch etwas sehen
die haben noch etwas zu sagen

Nämlich daß sie nichts sehen
wenn sie nichts sehen
und daß sie etwas sehen
wenn sie etwas sehen
und daß sie umherirren
weil sie nicht wissen wo
oder ob überhaupt noch
ein Weg der kein Irrweg ist
ist

Und vielleicht ist dann ihr Umherirren gar kein so arges
Umherirren wie das derer die nicht sagen
daß sie wissen daß sie umherirren
und die nicht sagen wollen was sie dabei sehen
oder wenn sie nichts sehen nicht sagen wollen
daß sie nichts sehen
weil sie nicht sehen wollen
daß sie umherirren
und daß es vielleicht gar keinen Weg gibt